Der Kletterturm auf dem Hof gehört seit 2021 zu den Attraktionen des Hauses der Jugend Rothenburgsort. Die BBEG hat sich als Sponsor daran beteiligt. (Foto: Miguel Ferraz)

Der Jugendserver Hamburg verzeichnet im Bezirk Mitte genau 31 Treffpunkte für Kinder und Jugendliche. Das Haus der Jugend Rothenburgsort steht mit an vorderster Stelle. Der Grund ist hier ganz einfach das Alphabet – das Haus liegt am Billhorner Deich, doch tatsächlich tritt es auch mit seinem Profil ganz besonders hervor. Unter der gemeinschaftlichen Leitung von Hermann Teiner und Katharina Schrö-der ist seit 2019 ein Ort entstanden, an dem sich der gesamte Stadtteil trifft. „Mit der Einführung der Ganztagsschule war klar, dass Kinder und Jugendliche unser Angebot in der Regel erst ab 16 Uhr nutzen. Daher haben wir gezielt darauf gesetzt, viele weitere Gruppen anzusprechen“, erklärt Teiner. Ob Seniorenfrühstück, Chorprobe, Alltagshilfe von und für Migrant:innen, Theater-Workshops oder Sitzungen des Stadtteilrats: All das findet in dem rostroten Gebäude statt, das nur wenige Schritte vom Neuen Huckepackbahnhof, einem der Entwicklungsareale im Billebogen, entfernt liegt. „Wir haben insgesamt 19 verschiedene Gruppen regelmäßig hier“, berichtet Teiner. In der Nachfrage spiegelt sich auch die multikulturelle und -religiöse Zusammensetzung des Stadtteils, der sich östlich an die HafenCity an-schließt: „Da gibt es eine christliche Gemeinde mit ghanaischen Wurzeln, islamische Aleviten oder eine Gruppe aus Bangladesch. Am Wochenende vermieten wir das Haus auch für private Feiern an Familien, die sich eine Gastronomie für Feiern vielleicht nicht leisten können. Oftmals kommen die Kinder danach zu uns in die Programmarbeit. Zudem haben wir die Idee entwickelt , Nutzung gegen soziales Engagement‘, so binden wir Bürger:innen an das Haus“, so Teiner.

Kletterturm und DJ-Workshop

Unterdessen geht auch das „Kerngeschäft“ weit über die Rezepte der offenen Kinder- und Jugend-arbeit hinaus. „Man muss Aktionen machen“, sind Teiner und Schröder überzeugt. So stellen die bei-den einzigen Festangestellten zusammen mit einem Team von freien und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ein breites Angebot auf: von Graffiti- und DJ-Workshops über Tanzen, Boxen und Fußball bis zu „Do it Yourself“, Gärtnern und Kochen. Die jüngs-te Attraktion ist ein Kletterturm, der seit Sommer 2021 auf dem Hof steht. „In der Pandemie-Phase brauchten wir dringend Angebote draußen. An dem Turm können sich die Kinder ausprobieren und ihre Grenzen kennenlernen, auch Jugendliche können sich hier weiterbilden und anschließend selbst das Sichern der Kinder beim Klettern übernehmen“, berichtet Schröder. Für den Turm gewannen sie zahl-reiche Sponsoren, darunter auch die Billebogen Entwicklungsgesellschaft mbh. & Co. KG, für die das Haus der Jugend dank seiner breiten Veranke-rung im Stadtteil eine wichtige Anlaufstelle ist. So hat sie die Räume bereits mehrfach für eigene Beteiligungsveranstaltungen genutzt und im Oktober 2021 einen Jugendworkshop des Vereins Naje e.V. zu Quartiersentwicklung unterstützt. Der Billebo-gen sieht im Westen und Norden von Rothenburgsort zwar eine überwiegend gewerbliche Entwicklung vor, dennoch spielen soziale Prozesse natürlich auch hier eine wichtige Rolle.

Manchmal werden im Bewegungsraum des Hauses der Jugend auch Pläne studiert und diskutiert – hier bei einer Veranstaltung der BBEG 2019 (Foto: Miguel Ferraz)

Schwierige Zeiten 

Dass das Haus der Jugend Rothenburgsort eine solche Erfolgsgeschichte werden würde, war lange nicht absehbar. Und das, obwohl der Name Hermann Teiner hamburgweit für Pionierarbeit mit Kindern und Jugendlichen steht. Als er 2007 nach Rothenburgsort kam, gründete er in Zusammenarbeit mit der dort ansässigen Grundschule die „Rothenburgsorter Gourmetkinder“ und zog als gelernter Koch das gemeinschaftliche Zubereiten und Servieren von gutem Essen so auf, dass das Projekt in Spitzen-restaurants wie dem Louis C. Jacob gastierte. Ab 2010 entwickelte er zudem das Projekt „Sportjobs“, eine Qualifizierungsmaßnahme für Jugendliche, die über Sport Schlüsselkompetenzen wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsübernahme und Teamorientierung vermittelt – seinerzeit unterstützt durch den damaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz. Doch das Haus der Jugend selbst erlebte schwierige Zeiten. 2012 musste es wegen baulicher Mängel geschlossen werden, erst 2015 begann der Neubau, der sich vier Jahre hinzog und von dramatischen Unfällen bei den Gewerken bis zum Rohstoffdieb-stahl auf der Baustelle keine Katastrophe ausließ. Teiner überbrückte die Zeit mit mobilen Formaten und übernahm allerlei Sonderaufgaben im Bezirks-amt Hamburg-Mitte. „Als wir das neue Haus dann 2019 endlich hatten, wusste ich erst gar nicht, wie ich es füllen sollte. Irgendwie kam mir das alles als zweiter Aufguss vor“, erinnert er sich.

Zum Glück kam damals Katharina Schröder dazu. Die gelernte Erzieherin war dem heutigen Träger des Hauses (Stintfang gUG, vormals „Jugend- und Kulturzentrum“) bei einem Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung positiv aufgefallen. Zwischenzeitlich hatte sie für über drei Jahre als Gastgeberin im Be-reich Kids, Teens & Mini Club sowie als Managerin auf Kreuzfahrtschiffen der AIDA-Flotte gearbei-tet. „Da musste ich mich auf verschiedenste Kinder und Jugendliche einstellen und sowohl an Bord als auch bei Ausflügen an Land eine große Vielfalt an Programmen und Organisationen entwickeln und durchführen, oftmals sehr spontan“, erinnert sie sich. Trotz ihres Altersunterschieds – Schröder ist heute 31, Teiner 63 Jahre alt – stellten die beiden fest, dass sie sich optimal ergänzen. Er bringt sei-ne jahrzehntelange Erfahrung in sozialer Arbeit und sein breites Netzwerk ein, sie strukturiert das Pro-gramm und setzt es größtenteils um. „Wir sind ein kongeniales Team“, freut sich Teiner. Wenn er im Mai 2023 in den Ruhestand geht, soll sie seine Nachfolge als Leiterin antreten. „Etwas Besseres kann dem Stadtteil nicht passieren“, sagt Teiner.

Die Leitung des Haus der Jugend in Rothenburgsort, Hermann Teiner, der 2023 in den Ruhestand geht und Katharina Schröder, die seine Nachfolgerin werden soll. (Foto: Miguel Ferraz)

Lücken schließen

Bis dahin haben sie gemeinsam jedoch noch einiges vor, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Veränderungen, die mit der Entwicklung des Billebogens und des Stadteingangs Elbbrücken auf Rothenburgsort zukommen. „Nach meiner Erfahrung machen sich ältere Mitbürger:innen eher Sorgen, während die jüngeren auch die Chancen sehen“, sagt Schröder. Doch gerade die Jugendlichen sind im Stadtteil wenig präsent. „Es gibt keine weiterführende Schule, deshalb verbringen sie ihre Zeit meistens außerhalb – in Hamm, in Wilhelmsburg und zunehmend auch in der HafenCity. Das ist ein strukturelles Problem“, bestätigt Teiner. Umso wichtiger sei es, gezielt An-gebote für diese Gruppe zu schaffen. „Das können ein Bauwagen als Rückzugsort oder auch attraktive Außensportgeräte im Stadtteil sein“, so Schröder. Ein stabiler Basketballkorb wurde bereits im Frühling am Haus der Jugend installiert.

Text: Henrike Thomsen

www.hdj-rothenburgsort.de