„Wer Strukturwandel zu spät einleitet, gerät in die Defensive“, schreibt der Direktor des Centrums für Europäische Politik und frühere Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts in einer jüngst erschienen Analyse für den Industrieverband Hamburg e.V. Für Hamburg als größter deutscher Industriestandort stehe dabei viel auf dem Spiel. „Bis 2025 muss ein spürbarer Erfolg in der Ansiedlung von Unternehmen, in der Anziehung von Risikokapital und Talenten sowie in der Entwicklung neuer Wachstumsindustrien erzielt werden“, so Völpel. Nur 2,2 Prozent des Hamburger Bruttoinlandprodukts (BIP) seien 2019 in Forschung und Entwicklung investiert worden. Gegenüber dem Süden Deutschlands falle der Norden seit vierzig Jahren dramatisch zurück. Umso mehr gelte es, die Weichen jetzt zu neu stellen. „Die Industrie steht im Mittelpunkt einer Nachhaltigkeitsrevolution der Wirtschaft. Nachhaltigkeit wird nicht zu einer Beschränkung, sondern zur wichtigsten Bedingung von Wachstum“, so Völpel. „Wir produzieren nicht weniger, sondern anders: effizienter und vor allem nachhaltig und digital“.
Förderung von Forschung und Entwicklung
Zu den fünf Forderungen für ein „Sofort!-Programm“ der Studie zählt die Erhöhung der privaten und öffentlichen Ausgaben für Forschung & Entwicklung auf fünf Prozent bis 2025. Dies könne nur durch die Ansiedlung entsprechender Hochtechnologie-Unternehmen und wettbewerbsfähiger, gut ausgestatteter Einrichtungen für Grundlagenforschung und Technologietransfer gelingen. Für die Ansiedlung neuer Unternehmen seien aber auch entsprechende Flächen notwendig, die in Hamburg angesichts des Wohnungsbaus und der reservierten Hafenflächen knapp seien.
Mehr Flächen – zum Beispiel im Billebogen
Ein Ort, der solche Flächen bereit hält, ist jedoch der Billebogen: Aufgrund der starken Lärmexposition durch Hauptverkehrsachsen wie die Billhorner Brückenstraße und der Fern- und Güterbahn ist Wohnen hier nur begrenzt möglich. Umso mehr entsteht hier zwischen der HafenCity im Westen und Hamburgs zweitgrößtem Industriegebiet Billbrook im Osten ein zentraler Chancenraum für urbane Produktion und Gewerbe im 21. Jahrhundert. Der Entwicklungsfokus des Billebogens liegt auf wertschöpfenden innovativen gewerblichen Nutzungen sowie auf Forschung & Entwicklung, Start-ups, Makerspaces und kreativen Ideenschmieden. Vor dem Hintergrund des Wandels in Produktion und Logistik ist er als zentral gelegener, verkehrlich gut angebundener und für urbane Vernetzung bestens geeigneter Standort für zahlreiche Branchen interessant.
Bebauungsplan für das Billebecken
Neben dem zentralen Gelände des Neuen Huckepackbahnhofs bietet sich als Standort für Urbane Produktion vor allem das Billbecken im Nordosten an. Die Billebogen Entwicklungsgesellschaft, das Bezirksamt Hamburg Mitte und die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen rückten mit einem städtebaulichen Workshopverfahren 2021 den rund 17 Hektar großen Stadtraum erstmals seit Jahrzehnten in den Fokus. Der Funktionsplan wurde gezielt für den Bedarf an Produktionshallen, Laboren und Büros mit ihren jeweils spezifischen Anforderungen entwickelt. Die hochwertige und zugleich hochverdichtete Gewerbenutzung lässt sich künftig flexibel auslegen und mit öffentlichen Nutzungen – etwa für Freizeit oder Kultur – kombinieren. Denn auch ein attraktives Umfeld für Beschäftigte und Anwohnende spielt eine wichtige Rolle. Hier bieten die schönen, bisher weitgehend aber unzugänglichen Wasserlagen am Billebecken die Chance für einen attraktiven, über das Quartier hinauswirkenden attraktiven Stadtraum.
Der Bebauungsplan für das Billebecken wurde Anfang Mai eingeleitet. In den kommenden Jahren bieten sich hier wie an anderen Standorten im Billebogen die Chance, den Wirtschaftsstandort Hamburg mit zentralen, gut angebundenen Flächen für Industrie 4.0, Urbane Produktion und mehr im Sinne Völpels zu stärken.
Hier geht’s zur Studie “Die nächste industrielle Revolution”: