Die städtische Billebogen Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG (BBEG) startete am 30. März 2021 gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) und dem Bezirk Hamburg Mitte das Workshopverfahren „Urbane Produktion am Billebecken. Drei Architekturbüros sind eingeladen, bis zum Sommer hierfür ihre städtebaulichen Ideen zu entwickeln.

Luftbild: FotoFrizz

Drei Ziele

Das Billebecken liegt an der Schnittstelle zwischen der Hamburger Innenstadt und dem Industriegebiet Billbrook an der Grenze zwischen den Stadtteilen Rothenburgsort, Hamm und Hammerbrook. Das Gebiet ist seit Jahrzehnten stark durch Gewerbe und Produktion geprägt. Die schönen Wasserlagen des Billebeckens sind bisher öffentlich wenig zugänglich. Das Workshopverfahren verfolgt vor diesem Hintergrund drei Ziele: „Im Zentrum steht die Qualifizierung des südlichen Billebeckens für verdichtete Strukturen der Urbanen Produktion. Zudem geht es um die Schaffung eines angemessenen städtischen Umfelds für die denkmalgeschützte ehemalige Schule am Bullenhuser Damm, die sich am Billebecken befindet und die einen wichtigen Erinnerungsort an die dort geschehenen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus beherbergt. Nicht zuletzt soll aber auch der Flussraum der Bille besser erlebbar werden – für Unternehmen und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für die Bewohnerinnen und Bewohner von Rothenburgsort und den umliegenden Stadtteilen“, so der Vorsitzende der Geschäftsführung der Billebogen Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG, Prof. Jürgen Bruns-Berentelg.

Wirtschaftlich, nachhaltig, mitarbeiterfreundlich

Infographik: Jochen Stuhrmann

„Wirtschaftlich, nachhaltig und mitarbeiterfreundlich in Städten produzieren“ – so definiert das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation den Begriff Urbane Produktion. Die Unternehmen profitieren von kurzen Wegen und einem attraktiven Arbeitsumfeld. Voraussetzung dafür sind Formen der Produktion, Dienstleistung und Logistik, die mit dem städtischen Umfeld vereinbar sind. Oftmals handelt es sich um wissensintensive Unternehmen mit einem hohen Grad an Technisierung und Akademisierung einen wichtigen Baustein für den erfolgreichen Wettbewerb Hamburgs um gutausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem langfristig enger werdenden Arbeitsmarkt. „Das südliche Billebecken bietet eine herausragende Chance, mitten in der Stadt modernes Gewerbe und Produktion mit einem historisch und kulturell herausragendem Gebäudebestand sowie mit Naturräumen von erheblichem Freizeitpotenzial zu verknüpfen“, so Prof. Bruns-Berentelg.

Wie genau dies gelingen kann, soll im Workshopverfahren herausgearbeitet werden.  Baulich soll das Plangebiet in jedem Fall deutlich verdichtet werden: Statt der bisher offenen Lager- und Kfz-Abstellflächen und der niedrigen Bebauung werden die Entwürfe der teilnehmenden Büros mehrgeschossige Büro-, Labor- und Produktionsgebäude ins Spiel bringen. Solche hybriden Gebäude könnten beispielsweise Produktionshallen, Büros, Forschungs- und Entwicklungsräume sowie Nass- und Trockenlabore integrieren und diese Nutzungen auch vertikal übereinander ordnen.

Baudenkmal und Erinnerungsort

Foto: Bina Engel

Zur Aufgabenstellung gehört auch, den einst urbanen, dicht bebauten Charakter des Quartiers rund um die ehemalige Schule am Bullenhuser Damm wiederherzustellen. Das denkmalgeschützte Gebäude von 1910 ist eines der wenigen Gebäude im Umfeld, das den Zweiten Weltkrieg überstanden hat. Es wird heute als Gedenkstätte an die  dort im nationalsozialistischen Deutschland begangene Kriegsverbrechen an 20 jüdischen Kindern und 28 Erwachsenen genutzt wird. Seit 1999 bildet die Schule eine Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Zudem ist hier eine Kindertagesstätte untergebracht. Darüber hinaus steht das Gebäude weitgehend leer.

2020 startete die BBEG mit zahlreichen Akteuren aus Behörden, Denkmalpflege, Kultur und Nachbar-schaft einen separaten dialogorientierten Ideenfindungsprozess zur Schule am Bullenhuser Damm. Ziel ist ein umfassendes Konzept zur Instandsetzung und späteren Nutzung des Gebäudes. Dafür werden der Geschichte des Ortes angemessene, denkmalgerechte, kulturell und sozial identitätsbildende sowie wirtschaftlich langfristig tragfähige Perspektiven entwickelt.

Neue Promenaden und Plätze

Foto: Miguel Ferraz

 

Neben Elbe und Alster prägt die Bille die Hamburger Flusslandschaft. Im Osten der Stadt bildet sie zwischen Bergedorf und dem Bezirk Mitte eine wichtige Landschaftsachse. Im Workshopverfahren geht es gezielt darum, die Wasserlandschaft im Gebiet des Billebeckens besser erlebbar zu machen, zum Beispiel mit öffentlich zugänglichen, zwölf Meter breiten grünen Uferzonen. Darüber hinaus gehört die Verbesserung der öffentlichen Freiräume und Wegenetze zu den Aufgaben für die Planungsbüros. So könnte der Großmannplatz am Kreuzungsbereich von Großmannstraße, Billhorner Deich und Bullenhuser Damm als wahrnehmbarer Platzraum wieder hergestellt werden. Durch eine Verbesserung des lokalen Wegenetzes sollen sowohl der S-Bahnhof Rothenburgsort als auch die Wasserkante besser erreichbar werden.

Ergebnisse bis Ende Juni

Das Workshopverfahren „Urbane Produktion am Billebecken“ soll bis zu den Hamburger Sommerferien abgeschlossen sein.  Eingeladen wurden die Büros ASTOC Architects and Planners GmbH, Köln, Lorenzen Mayer Architekten GmbH, Berlin und  ROBERTNEUN™ Architekten GmbH, Berlin. Das Beurteilungsgremium umfasst neben Vertreter:innen der BBEG,  der BSW sowie des Bezirksamts und der Bezirksversammlung Hamburg Mitte auch die Hamburger Behörden für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA), Wirtschaft und Innovation (BWVI) und Verkehr und Mobilitätswende (BVM). Zudem nehmen weitere Verkehrsexperten, der Denkmalschutz und der Industrieverband teil. Als Gäste wurden Vertreter:innen des Stadtteilrats Rothenburgsort und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme eingeladen. Die Ergebnisse des Workshopverfahrens werden wie beim Testplanungsverfahren zum Stadteingang Elbbrücken als Grundlage für die künftige Entwicklung von Funktions- und Bebauungsplänen dienen. „Es wird keine städtebaulich verbindlichen Vorgaben und schon gar keine konkreten Architekturentwürfe geben. Vielmehr geht es darum, uns von vertiefenden Betrachtungen und konkreten Lösungsvorschlägen inspirieren zu lassen“, so Prof. Bruns-Berentelg.

Weitere Informationen zum Workshop-Verfahren finden Sie hier.